Wenn du alleine in der Großstadt wohnst, musst du dich meistens mit anderen verabreden, um in Kontakt zu kommen. Wenn du im ZEGG lebst, musst du dich mit dir selbst verabreden, um ab und zu mal NICHT mit anderen Menschen in Kontakt zu sein. Okay, das ist ein bisschen zu pauschal. Denn natürlich haben wir unsere eigenen Zimmer und können uns jederzeit zurückziehen. Aber der Sog in die Gemeinschaft ist groß. Wir haben zahlreiche Treffen und Gruppen in unserem Alltag und ich möchte euch diese einmal näher bringen und beschreiben.

Täglich machen Menschen Frühstück für mich, kochen Mittag und Abendessen. Und nicht nur ist das Essen lecker, sondern es ist auch schön, sich zu Freunden zu setzen und ein bisschen zu plaudern: Was hast du heute gemacht, wie denkst du zu diesem und jenem? Aufräumen, spülen und das Abendessen koche ich dann einmal in der Woche mit meiner festen Kochgruppe. Jeden Tag ist eine andere dran mit dem Küchendienst.

Immer wieder denken sich Menschen schöne Einladungen aus, bringen ihre Lieblingsfilme mit, gestalten tolle Events für alle. Hier ein Tanzfest, da eine Geburtstagsparty. Und natürlich hast du auch noch deine Freund:innen, die sagen: Sollen wir uns mal wieder treffen? Oh ja, das wäre doch schön. Wir sehen uns zwar oft in Gemeinschaftsveranstaltungen oder beim Essen, aber dann entstehen nicht so tiefe Gespräche wie wenn wir zu zweit spazieren gehen oder auf dem Sofa lümmeln.

Dann gibt es die Arbeitsbereiche. Wenn du in einen Teil des Betriebs eingebunden bist (viele sind das zumindest in Teilzeit), hast du immer mal wieder vormittags ein Team-Meeting oder soziokratisches Kreistreffen. Das sind operationale Treffen, strategische Treffen, Co-Working Spaces.

Nachmittags ist dann eher Zeit für soziale oder operationale Treffen, die die ganze Gemeinschaft angehen – z.B. wenn dienstags bei Bedarf eine Vollversammlung einberufen wird.

Mittwochs nachmittags ist regelmäßig unser Hauptgemeinschaftstreff: der Minami (wer errät, wo der Name herkommt?). Hier trifft sich die ganze Gemeinschaft von 15.00 – 18.00. Die ganze Gemeinschaft? Meist nicht alle 100, aber die, die von der Fülle der anderen Treffen noch nicht überfordert sind, die keine Kinder zu betreuen haben und vor allem die, die das Thema besonders interessiert.

In Intensivzeiten (also 4 x im Jahr zwischen 5 und 10 Tagen) treffen wir uns dann alle. Ähnlich wie am Minami ist das Bild, dass alle zusammen kommen, hier nun ein bisschen verpflichtender. Denn hier wird der Gemeinschaftsgeist immer wieder neu gefüttert und gefühlt. Außerdem werden Themen besprochen, die alle betreffen und Entscheidungen getroffen. Strukturelle Themen, aber auch soziale. Die Gemeinschaft ist ja auch ein Wesen, zu der jede am Platz Lebende eine Beziehung hat und Beziehungen wollen gepflegt werden. Und natürlich sind trotzdem manche arbeiten, in der Küche, hüten Kinder, sind auf Reisen oder gerade mit anderem beschäftigt. Von 90 Erwachsenen treffen sich dann vielleicht 40 - 60. Allerdings ist es so, dass die, die nicht kommen, mit den Entscheidungen der anderen leben müssen.

Hatte ich schon gesagt, dass außerdem die meistens von uns in WGs leben und es schön ist, wenn diese sich regelmäßig treffen? Einmal in der Woche sollte man sich schon verabreden, um sich in all der Fülle fühlen zu können und voneinander zu wissen. Da manche WGs aber auch zufällig zusammengewürfelte Gruppen sind, unterscheide sich die Treffkultur in WGs sehr.

Als weitere intimere Bezugsgruppen existieren deshalb noch Liebesforschungsgruppen, Forumsgruppen, eine Lese- und eine Männergruppe. Ein bis zweimonatlich trifft sich die Gruppe der Eltern am Platz und auch die älteren Menschen haben eigene Treffen.

Mir gefällt die Idee, dass sich 10-12 Menschen zusammen tun und regelmäßig treffen, um sich in ihrem persönlichen Wachstum zu begleiten. Denn trotz all der sozialen Fülle oder vielleicht sogar wegen ihr können Menschen auch untergehen, ist es toll, eine Gruppe zu haben, die dich besser kennt und deinen persönlichen Werdegang begleitet. Diese Möglichkeit gibt es, aber nicht alle nutzen sie.

Und es ist tatsächlich auch möglich, sich in all der Fülle alleine zu fühlen. Das passiert, wenn du zu den Treffen gar nicht hingehst – aber auch, wenn du zu möglichst vielen Treffen gehst und dabei den Bezug zu dir verlierst. Hier die richtige Balance zu finden ist wichtig, um sich am Platz auf Dauer wohl zu fühlen: Wie kannst du deine Beziehung zur Gemeinschaft pflegen, dir das nährende Miteinander kreieren, was du dir wünschst? Und gleichzeitig auch immer wieder gucken, wo es Zeiten für Rückzug, Besinnung oder auch eigene Spuren braucht.

Erstaunlicherweise stelle ich dabei immer wieder fest, dass es nicht so ein Gegensatz ist, wie du vielleicht anfangs noch gedacht hast – du kannst Rückzug im gemeinsamen Kuscheln finden, Besinnung in einer Wachstumsgruppe und neue eigene Spuren entdecken in den Aufgaben, die in der Gemeinschaft anfallen.

Barbara Stützel

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